Erinnern Sie sich noch an die Reform des Weinanbaus von 2008, insbesondere an den Punkt mit den Pflanzrechten? Falls nicht oder falls Sie vielleicht noch gar nicht von dieser Reform wussten, möchte ich an dieser Stelle Ihr Wissen ein klein wenig auffrischen oder Ihnen sogar ein paar neue Kenntnisse vermitteln. Denn diese Reform steht jetzt wieder im Brennpunkt des Interesses von Winzern und Weinliebhabern in der EU.
Wie es zu dieser Reform kam? Da ist gar nicht mal so schwer zu erklären. Wir befinden uns in Europa, wo Qualität und Tradition im Weinbau noch groß geschrieben werden. Nirgends gibt es so exklusive Weine, wie hier. Und nirgends ist Wein derart Kulturgut statt Massenware, wie hier. Das liegt größten Teils am Talent und der Erfahrung der europäischen Winzer, die Ihre Weinreben mit größter Hingabe hegen und pflegen. Aber auch die in der EU geltenden Gesetzte zum Weinanbau tun ihren Teil dazu. Denn in der EU darf nicht jeder einfach seinen Wein zusammen panschen. Hier gelten strenge Richtlinien, was die Herstellung der erstklassigen Weine angeht. Um zum Beispiel das ganz spezielle Aroma einer Eichenfassreifung zu erreichen, muss der Wein hier auch tatsächlich im Eichenfass gereift sein. Kaufen Sie einen europäischen Wein, der nach Eichenfassgärung schmeckt, müssen Sie sich keine Sorgen machen, dass diesem Wein Eichenspäne zugesetzt wurden, wie es vielleicht in anderen Gebieten der Welt der Fall ist. Auch darf in Europa dem Wein kein Wasser hinzugefügt werden, um die Kosten zu senkt. Weine werden hier nicht einfach nach einem einheitlichen Muster „designed“. Die europäischen Weine werden geprägt von den ganz individuellen Bedingungen, die ihr Anbaugebiet ihnen bietet. Sie überzeugen Jahr für Jahr mit ihren ganz besonderen Geschmackserlebnissen. Und diese Geschmackserlebnisse sind nicht etwa künstlich erzeugt. Sie sind absolut echt. Diese und andere Qualitätskriterien machen natürlich die Produktion und somit auch das Endprodukt etwas teurer. Aber wie auch sonst überall hat Qualität ihren Preis. Die Konkurrenz außerhalb der EU, die es mit der Qualität nicht ganz so genau nimmt, ist da selbstverständlich günstiger. Aber ganz bestimmt nicht besser. Trotzdem werden diese Weine, in der EU selbst niemals hergestellt werden dürften, in diese importiert und stellen eine Gefahr für die Existenz der heimischen Winzer dar.
An dieser Stelle kommt die Reform des Weinanbaus von 2008 ins Spiel. Eine Reform, die in jeder Hinsicht gut gemeint ist, aber für die Winzer in unserer direkten Umgebung – wir sprechen hier vom Weinanbaugebiet Mosel – vor allem in einem Punkt eher ein Dorn im Auge darstellt. Grundsätzlich ist es Ziel dieser Weinbaureform, den europäischen Weinerzeugern den Wettbewerb innerhalb der EU, aber auch auf dem Weltmarkt, zu erleichtern. Um dies zu erreichen, soll nämlich unter anderem das bisher gültige Pflanzrechtsystem auf EU-Ebene zum 01.01.2016 aufgehoben werden. Auf nationaler Ebene ist eine weitere Gültigkeit bis 2018 erlaubt. (Die vollständige Verordnung finden Sie hier.
Und genau dieses Auslaufen der Pflanzrechte und damit die Liberalisierung des Anbaus, bereitete den hiesigen Winzern bis dato Kopfzerbrechen. Bisher war es nämlich so, dass ein Winzer seine Anbaufläche nur dann erweitern könnte, wenn er die Pflanzrechte eines anderen Winzers erwirbt. Mit dem Wegfall dieses Systems könnten sich die europäischen Winzer also weiter ausbreiten. Doch wie sieht es speziell hier bei uns, im Weinanbaugebiet Mosel, aus? Es fehlt für viele der Platz, um sich stark zu vergrößern. Während also Winzer in anderen europäischen Ländern ihre Grenzen um ein Vielfaches vergrößern können, müssen viele Weinerzeuger unserer Region dann nicht nur die wachsende Konkurrenz von außerhalb der EU fürchten, sondern auch die innerhalb der EU. Hinzukommt, dass gerade die Steillagen, und davon haben wir im größten zusammenhängenden Steillagenweinbaugebiet der Welt nun mal reichlich, was ihre Bewirtschaftung angeht, sehr viel kostenintensiver sind als anderen Weinlagen. Das macht unsere Situation gegenüber unseren Konkurrenten, vor allem in Hinblick auf die Preise, nicht gerade besser. Denn eine kostenintensivere Bewirtschaftung bedeutet auch teurere Weine.
Doch mit den Kopfschmerzen, zumindest mit denen, die von der Liberalisierung des Anbaus rühren, ist vielleicht schon bald Schluss. Denn eine Expertengruppe der Europäischen Kommission hat Ende des vergangenen Jahres einige Änderungsvorschläge bezüglich der Pflanzrechte eingereicht. Hiernach sollen die geltenden Pflanzrechte verlängert werden, wobei pro EU-Land die Pflanzrechte um bis zu 2 Prozent ausgedehnt werden dürfen. Ferner soll bei gerodeten Weinflächen eine Zulassung auf Wiederbepflanzung über drei Jahre eingeräumt werden. Eine totale Liberalisierung des Weinanbaus währe damit erst einmal aufgeschoben. Dennoch muss natürlich immer bedacht werden: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Denn das neue Lizenzsystem für den Weinanbau soll alle zwei Jahre ausgiebig geprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Eine vollständige Liberalisierung des Weinanbaus ist daher auf lange Sicht nicht ausgeschlossen. Wir werden sehen, wie sich die Zukunft entwickelt.
Bis dahin können Sie natürlich immer noch die besondere Qualität der Moselweine erleben. Eine große Auswahl an Weinen gibt es auch bei uns im Onlineshop. Sie möchten erst mal nur probieren? Dann kommen Sie doch vorbei und genießen Sie köstliche Moselweine bei einer umfangreichen Weinprobe in unserer Moselvinothek.